In der Corona-Krise müssen viele Schüler in Deutschland zuhause lernen. Doch nicht alle können digital erreicht werden. Dass es diesbezüglich Nachholbedarf gibt, zeigte sich bald schon an der Ernst-Reuter-Schule. Als Sofortmaßnahme hat sie die Anschaffung von Leih-iPads beschlossen, um damit während der coronabedingten Schulschließung bedürftige Kinder zu versorgen.
Als eine der ersten erhielt Lotta Steinland eines der Tablets. Die Zwölfjährige strahlt übers ganze Gesicht. In ihren Händen hält Lotta Steinland ein nagelneues, soeben ausgepacktes I‑Pad. Für sie ganz allein. Gleich, noch zaghaft allerdings, will die Fünftklässlerin ausprobieren, was das mobile Endgerät alles kann. „Nur zum Lernen“, mahnt freundlich Volker Hartmann. Der Rektor der Ernst-Reuter-Schule ist persönlich zu dem Mädchen nach Hause in Klein-Umstadt gekommen, um ihr das erste von neu angeschafften 30 schuleigenen Leih-I-Pads zu überreichen.
Das sogenannte Homeschooling, das Lernen zuhause statt im Klassenzimmer, ist angesichts der Corona-Pandemie zum Dauerzustand geworden, auch wenn viele Schüler inzwischen wieder im Zwei-Wochen-Rhythmus mit eingeschränktem Stundenplan in die Schule gehen. „Wir werden definitiv keinen normalen Unterricht mehr bis zu den Sommerferien haben, womöglich auch darüber hinaus“, sagt Hartmann.
Doch nicht alle Mädchen und Jungen könnten digital erreicht werden. In ihren Familien fehle es an den für das Homeschooling notwendigen Endgeräten. Und ein Smartphone reiche allein von der Bildschirmgröße nicht aus, um beispielsweise Matheaufgaben zu lösen.
Aus diesem Grund hat die Ernst-Reuter-Schule 30 Tablets angeschafft, die bedürftigen Schülern leihweise zur Verfügung gestellt werden. Da deren Anschaffung das Budget der Schule über Gebühr beansprucht hätte, hat man sich um Sponsoren bemüht. Auf offene Ohren ist man dabei beim Lions Club Groß-Umstadt (5.500 Euro), der Sparkasse Dieburg (1.000 Euro) und dem Darmstädter Statikbüro Gruber & Hartmann (7.500 Euro) gestoßen, die das Projekt unterstützten.
Schon seit längerem habe man an der Schule die Online-Plattform Office 365 eingerichtet, erklärt Rektor Hartmann. Jedes der neuen Endgeräte ist nun so konfiguriert, dass die Kinder es mit einem persönlichen Passwort nur für schulische Programme und Webseiten nutzen können, ohne anderweitige Nutzung. In einem geschützten System sei es nun möglich, mit dem Lehrer und Klassenkameraden zu chatten, aber auch beispielsweise Dokumente gleichzeitig zu bearbeiten. „Eine Chance für Leute, denen das bisher nicht möglich war.“
„In meiner Klasse haben nicht alle ein Smartphone“, berichtet Lotta, die eine fünfte Klasse besucht. Sie selbst zwar schon, aber damit sei nicht sehr viel anzufangen gewesen beim Homeschooling. Zu Beginn der Schulschließung seien alle Aufgaben per Mail verschickt worden. „Zum Ausdrucken – nur schlecht, wenn man keinen Drucker hat, wie wir“, so die alleinerziehende, berufstätige Mutter Yvette Seiler, die die letzten Wochen als „schon sehr anstrengend“ bezeichnet. Der Klassenlehrer habe dann eine sehr hilfreiche digitale Plattform gefunden. Dass sie ab sofort mit diesem persönlich chatten kann und auch auf diesem Weg wieder den Kontakt zu einigen Klassenkameraden pflegen, freut Lotta am allermeisten.
Ist in hoffentlich nicht mehr allzu ferner Zukunft wieder normaler Schulbetrieb möglich, werden die Tablets gezielt im Unterricht eingesetzt, so Volker Hartmann. Gerade auch in den beiden Intensivklassen für Schüler, die nicht mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind, sollen sie weiter genutzt werden. „Dass wir alle Kinder der ERS damit erreichenm, ist eine Illusion“, weiß Volker Hartmann. „Das funktioniert gar nicht. Es geht darum, einen Zugang zue rmöglichen.“
aus: Odenwälder Bote (05.06.2020)