„Mein mutiger Weg“
Moderne Berufsorientierung mit neuem Konzept für Ernst-Reuter-Schüler
„Dein Weg beginnt da, wo du deinen Träumen mehr Energie gibst als deinen Ängsten. Trau dich“, ist auf einem Plakat zu lesen. Und einiger Mut gehört dazu, die eigenen Stärken außerhalb der Schule zu entdecken. Jugendlichen die Zukunftsängste nehmen, ihnen Selbstvertrauen geben und sie darin bestärken, den eigenen Weg zu gehen. Das wollen die „Mutmacher“ einer ungewöhnlichen, sehr modernen Berufsorientierung, die jetzt in der Groß-Umstädter Ernst-Reuter-Schule (ERS) Station machte.
Die Aktion „Mein mutiger Weg“ will mit frischen Ideen und dynamischem Konzept die Achtklässler erreichen. „Wenn ihr eine Stärke habt, geht dem nach“, so die Botschaft. „Andere dürfen eine Meinung haben, doch am Ende weißt du am besten, was zu dir passt.“ Auf der Suche nach dem Traumjob sollten nämlich andere Dinge im Vordergrund stehen, vermittelt das junge Mutmacher-Team.
Es geht darum, dass die Schüler ihren eigenen Weg finden und mutig genug sind, auch Schritte zu gehen, die das Umfeld vielleicht nicht so toll findet, sagt Barbara Buchberger vom Team. Sich nicht von anderen Menschen davon abbringen lassen. Dass sie immer ihre eigenen Ziele verfolgen, stark genug sind und Selbstvertrauen haben. Das wolle man hier auch mitgeben: „Sei mutig, mach dein Ding. Und es gibt immer Umwege, immer einen Plan B.“
Gut 300 Ausbildungsberufe und rund 20000 Studiengänge gebe es aktuell, sagt den überwiegend 15-Jährigen „Babsi“, die selbst zehn Jahre lang nicht wusste, was tun. „Kein Plan, und ihr wollt, dass eure Kriterien erfüllt werden“. Wo hört man auf, wo fängt man an? „I’ve no fucking idea what I’m doing“, trifft sie den Gemütszustand der meisten in dieser Situation. Superwichtig sei es heute, die eigenen Stärken anzuschauen. „Und nicht das beruflich zu machen, worin man in der Schule gut ist.“
Mit einer klassischen Berufsberatung hat dieser Vormittag kaum zu tun. Altersgerecht, auf Augenhöhe bieten die jungen Coaches erlebnisreiche Stunden und treffen dabei genau den richtigen Ton. „Die reden lockerer mit uns, so motivierend, das gefällt mir gut“, meint Schülerin Emily in der Pause. „Die wissen halt, wie wir sind.“ Während die 14-Jährige „noch keinen richtigen Plan“ hat, wirkt Louis (14) umso zielstrebiger. Nach dem Realschulabschluss will der Lengfelder eine Ausbildung als Holzbearbeitungsmechaniker machen, anschließend zur Berufsfeuerwehr gehen. „Ich finde es gut, dass man hier Informationen nicht nur über Berufe bekommt, sondern auch wie man seinen Weg gestalten kann. Es ist halt fast ein Alter, und die haben es miterlebt, was auch schieflaufen kann und bieten es an, Leuten zu sagen, was man besser machen kann. Es ist schon motivierend, dass man aufpasst, was man macht und dass man auch Spaß dran hat.“
Laurins Plan ist Realschule, danach noch Fachabi und Elektrotechnik oder Informatik studieren. Der 15-Jährige findet es „sehr schön, dass man sowas mit Schülern macht. Ich glaube, wichtig daran ist, dass man sich auch mal seinen Ängsten stellt und darüber nachdenkt, was man überhaupt machen will. Ich mag zwar was machen, aber vielleicht passt es ja doch gar nicht zu mir. Davor habe ich schon auch Angst.“
Den Mut zu haben, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und eigenes Potential zu entfalten, ist schon nicht gerade einfach in diesem Alter, besonders aber nach den Belastungen während der Corona-Pandemie, mit denen Jugendliche zusätzlich konfrontiert waren. Das erkennt auch der Landkreis, der diese Aktion aus dem landesweiten Schutzschirm für Ausbildungssuchende nach Corona mit insgesamt 10000 Euro finanziert. Weil erstmalig im Kreis „Mein mutiger Weg“ an der Groß-Umstädter ERS stattfindet, machen sich auch zwei Vertreterinnen des Landkreises ein Bild. Ein spezielles Angebot sei das, um Jugendliche nach der schwierigen Zeit zwischen Präsenz- und viel Online-Unterricht zu unterstützen. „Die Jugendlichen sind nach der langen Coronazeit unmotiviert und unsicher“, weiß Annkatrin Kuppel von der Fachstelle Jugendberufswegebegleitung. Und eine Entscheidung über die persönliche Zukunft zu treffen, erfordere nun mal viel Mut.
Motivierendes und Wertschätzendes scheint wichtiger denn je in einer Gesellschaft, in der immer gern Schwächen dargestellt werden. Ziele und Träume zu haben und den Mut zu finden, diese zu verwirklichen, steht daher im Vordergrund der motivierenden Stunden, die gut 100 Schülerinnen und Schüler aus vier achten Klassen nicht nur über sich ergehen lassen. Sondern sie sind interessiert, machen mit. hören aufmerksam zu. Die „Mutmacher“ im Durchschnittalter von 25 Jahren erreichen die Jugendlichen auf Augenhöhe, sprechen dieselbe Sprache.
Zufrieden stellt der für die Berufsorientierung an der ERS zuständige Lehrer Jörg Rauschkolb fest: „Allein, dass sie mitmachen, dass sie interessiert sind, dass die Schüler Fragen stellen, sich Sachen aufschreiben und sich darüber Gedanken machen, ist schon mal ein großer Schritt.“ Mutig ist für ihn, sich selbst mal einen Plan auszudenken, nach der Schule weiterzumachen, sich was zu überlegen und den nächsten Schritt zu gehen. „Dafür ist Mut erforderlich.“ Da wurde jetzt mal was angestoßen, stimmt Förderschullehrerin Eva-Valeria Kübler zu. Das System sei leider oftmals defizitorientiert. Viel wichtiger: Sich zuzutrauen, dass man etwas kann und dazu stehen. Den Mut zu haben, zu sagen, ich kann was, das hätten die Jugendlichen hier erfahren.
Text und Bilder: Dorothee Dorschel