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(dor) Ein Bienenstock mitten im Schulhof? In unmittelbarer Nähe zum Lehrerzimmer brummt und summt es. Dort, wo eine Ecke fast vollständig von Büschen umgeben ist, wohnt neuerdings ein Bienenvolk. Es gehört zu einer freiwilligen Nachmittags-AG an der Ernst-Reuter-Schule. Gerade bei diesen AGs für den Ganztagsbereich habe noch ein naturwissenschaftliches Angebot gefehlt, sagt der betreuende Lehrer Martin Fischer.
Das Thema Bienen eigne sich jedoch nicht allein für den Biologieunterricht, weiß der Chemie- und Biolehrer. Ein übergreifendes und vertieftes Lernen finde hier statt. „Es ist auch vorstellbar, später so etwas mal zuhause zu machen.“ Die Schule gebe hier eine Anregung für sinnvolle Freizeitgestaltung, Tiere zu halten und Verantwortung zu übernehmen. Deshalb sind mit dem Projekt Schüler der siebten und achten Klasse angesprochen. „Die Schüler müssen noch zugänglich sein“, erklärt Martin Fischer, „aber es muss ihnen auch zugetraut werden, im direkten Umgang mit Lebewesen vernünftig zu handeln.“
Mit Imkerberater Gerhard Heil aus Klein-Umstadt haben die Jungimker einen Experten an ihrer Seite, der sie kompetent, altersgerecht und vor allem geduldig anleitet. Auch Lehrer Fischer hat sich bereits im Vorfeld fortgebildet, lernt aber gemeinsam mit den fünf teilnehmenden Schülern jedes Mal Neues dazu. Die AG-Mitglieder sind 13 und 14 Jahre alt und finden es grundsätzlich „interessant, mal so was zu machen“. Manche gehen selbstsicher und ruhig heran, andere haben noch etwas Angst. Doch die legt sich von Mal zu Mal. Jede Woche trifft man sich hier.
„Mit der Theorie ist es oft schwierig. Gehört aber auch dazu“, sagt Fischer. Im Winterhalbjahr, als noch keine Bienen da waren, hat er die Schüler mit praktischen Dingen bei der Stange gehalten. So verrichtete man die für den Winter typischen Tätigkeiten eines Imkers: die Beuten (Holzkästen, in welche die Wabenrahmen eingehängt werden) streichen, Mittelwände einlöten, Bienenprodukte anschauen und herstellen. „Die Schüler haben Lippenpflegestifte, Kerzen und Honigduftseifen selbst gemacht und verkauft.“
Vor rund drei Wochen hat Imker Heil ein erstes Volk mit etwa 18.000 Bienen zur Schule gebracht, wo alles bestens vorbereitet war. „Im Mai und Juni entwickeln sie sich rasant“, sagt er. Dass die Königin nun 2000 Eier am Tag legt und 21 Tage später 2000 Bienen schlüpfen, wissen auch die Schüler. Die Rapsblüte ist vorbei, doch im Wohngebiet, das die Schule umgibt, stehen zahlreiche Akazien, Rubinien und Linden. Viele Pollenspender, von denen die Bienen gut versorgt werden.
Moritz (14) ist Experte für den Smoker und macht sich schon mal zu schaffen, während die Anderen ihre Imkerkleidung überstreifen, hellgelbe Jacken mit integriertem Schleier. Schnell meldet sich Alica (13) auf die Frage, wer sich traut, einmal ein „Rähmchen“ vollbesetzt mit Bienen in die Hand zu nehmen. Spannend ist es, Stück für Stück der immer schwerer werdenden Rahmen herauszuholen und zu begutachten. Viel Nektar wurde da von den Bienen schon eingelagert. „Letzte Woche war alles noch viel leerer.“
Spaß macht es den fünf AG-Teilnehmern, „dass man sehen kann, wie sich das alles so entwickelt“. Und Sarah (13) erklärt: „Man lernt, dass Bienen sehr wichtig sind. Sonst hätten wir nichts zu essen. Ohne Bienen würden wir nicht überleben.“
Honig ist das Beste überhaupt, stimmt man überein. Und wie das genau funktioniert mit dem süßen Saft, hat Matthias (13) hier gelernt. Das findet er gut. Genauso wie Jonas, der wohl einen Rekord hält beim nach dem Rechten schauen: „Ich bin in jeder Pause hier.“ Die emsigen Bienen gerade in diesen Tagen zu beobachten, das macht wirklich Spaß.
Dabei geht es gar nicht allein ums Imkern. Vielmehr wird das Thema Nachhaltigkeit behandelt, die Bestäubungsleistung oder, wie es Alica ausdrückt, „ohne Bienen würde ja nichts mehr blühen“.
Ganz bewusst, so Lehrer Fischer, habe man die Bienen nicht versteckt oder weitab vom Schulgeschehen untergebracht. „Es ist nicht störend“ – das sollen die Schüler am besten gleich lernen. Ängste würden so abgebaut. Deshalb habe man auch keine abschreckenden Warnschilder angebracht, sondern den Bereich eher einladend gestaltet. Abstand halten, nicht direkt vor dem Flugloch aufhalten, solche Tipps können die Mitglieder der Bienen-AG selbst schon geben. So ist es kein Wunder und ganz im Sinne der Organisatoren, dass bereits in den ersten Tagen viele neugierige Kinder und Jugendliche vorbeikommen. „Das ist auch gut so“, sagt AG-Leiter Fischer. Schließlich sollen die Bienen „ein Angebot für die ganze Schule sein“.
Bild und Text: Dorothee Dorschel