Die Förderlehrer sollen bleiben (von Dorothee Dorschel)

Die Förderlehrer sollen bleiben

Ernst-Reuter-Schule in Groß-Umstadt kämpft für ihr Inklu­si­ons­an­ge­bot und wird von Stu­die bestätigt

Text: Doro­thee Dor­schel, erschie­nen am 12.02.2024 im Darm­städ­ter Echo

Bil­der: Ernst-Reuter-Schule

Gross-Umstadt. Als Zei­chen gro­ßer Wert­schät­zung und Aner­ken­nung der Arbeit der Ernst-Reuter-Schule (ERS) in Groß-Umstadt kann man die Ergeb­nis­se einer Stu­die einer Semi­nar­grup­pe der Evan­ge­li­schen Hoch­schu­le Darm­stadt wer­ten. Die­se hat die ERS in Abspra­che mit dem Staat­li­chen Schul­amt durch­füh­ren las­sen. Hin­ter­grund sind Befürch­tun­gen der Schu­le, es könn­ten För­der­leh­rer für den inklu­si­ven Unter­richt abge­zo­gen werden.

Bei der suk­zes­si­ven Auf­lö­sung der ERS-Förderschulabteilung hin zur Inklu­si­ven Schu­le ab 2014 wur­den Schü­ler mit beson­de­rem För­der­be­darf, die zuvor getrennt unter­rich­tet wor­den waren, in die Regel­klas­sen auf­ge­nom­men. Den regu­lä­ren Lehr­kräf­ten ste­hen dabei För­der­schul­lehr­kräf­te zur Sei­te. Schul­lei­ter Mat­thi­as Hür­ten zufol­ge haben der­zeit 151 Schü­le­rin­nen und Schü­ler der ERS Anspruch auf son­der­päd­ago­gi­sche För­de­rung. Das sei­en gut 20 Pro­zent der Gesamt­schü­ler­zahl von 769.

Gro­ßer Andrang herrsch­te bei der Vor­stel­lung der Ergeb­nis­se der Evan­ge­li­schen Hoch­schu­le Darm­stadt zum The­ma „Inklu­si­on an der Ernst-Reuter-Schule“ in der Stadt­hal­le. Bild: Ernst-Reuter-Schule

Die Ergeb­nis­se ihrer Stu­die, bei der das Inklu­si­ve Kon­zept der Schu­le aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven unter­sucht wur­de, haben die Stu­die­ren­den dem ERS-Kollegium und Schü­ler­el­tern vor­ge­stellt. Sie hat­ten digi­ta­le Fra­ge­bö­gen an die Eltern ver­schickt mit einer „über­ra­gen­den“ Rück­mel­de­quo­te (453 Rück­mel­dun­gen) „mit sehr belast­ba­ren und aus­sa­ge­kräf­ti­gen Ergeb­nis­sen.“ So ging unter ande­rem her­vor, dass Leh­rer und Schü­ler gern die ERS besu­chen und dort arbei­ten, 78 Pro­zent der Eltern die ERS noch ein­mal als Schu­le für ihr Kin­der wäh­len wür­den. „90 Pro­zent fin­den den Unter­richt durch unter­schied­lich qua­li­fi­zier­te Per­so­nen wich­tig“, „es herrscht eine hohe Zufrie­den­heit“ oder auch „83 Pro­zent sind der Mei­nung, die Lehr­kräf­te gehen auf die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se des Kin­des ein“.

Die ERS will des­halb kämp­fen um die vor­han­de­nen För­der­lehr­kräf­te. Nicht zuletzt die Eltern, deren Kin­der an der Schu­le „regel­recht auf­ge­blüht“ sind, wie der Sohn von Mat­thi­as Kreh. Auch sei­ner Toch­ter in der 7. Klas­se mit „hoher Sen­si­bi­li­tät“ tue die zwei­te Lehr­kraft sehr gut, berich­tet er. „Sie ist da sehr gut auf­ge­ho­ben.“ Er fän­de es sehr schlimm, wenn Stun­den in die­sem Bereich weg­fie­len. „Gera­de dadurch, dass ja auch die Schu­le sehr bekannt ist durch die­se Stär­ke der Inklu­si­on, war sie ja ein Magnet die letz­ten Jah­re. Gera­de die Kin­der, die die­sen Bedarf haben, sind ver­stärkt an die­ser Schu­le. Und eben nicht an den ande­ren Schu­len in der Nachbarschaft.“

Mein Sohn ist zur 5. Klas­se vom För­der­schul­sys­tem end­lich an die ERS gewech­selt“, schil­dert Son­ja Sol­ty­si­ak. „Er war vor­her sehr, sehr unglück­lich.“ So hät­ten sie den Sprung in die Inklu­si­on gewagt. „Das war wie eine Offen­ba­rung“. Vom ers­ten Tag an habe er sich will­kom­men gefühlt. Als Autist war er zunächst in eine Schu­le mit För­der­schwer­punkt geis­ti­ge Ent­wick­lung gekom­men. Irgend­wann merk­ten die Eltern, er brauch­te einen Anreiz von außen und nicht die­ses von vorn­her­ein Abge­stem­pelt­sein. Der tol­le Emp­fang an der ERS habe der gan­zen Fami­lie viel Last genom­men. „Mein Sohn hat gespürt, dass er ein Teil ist, dass er dazu­ge­hört. Egal ob Autist oder nicht Autist, dass das erst mal kei­ne Rol­le spielt.“ Er sei so glück­lich gewe­sen, end­lich ler­nen zu dür­fen. „Und er woll­te ler­nen.“ Er wer­de genau dort gestärkt, wo er es brauche.

Prof. Dr. Lau­ra Wall­ner stellt zusam­men mit Stu­die­ren­den der Evan­ge­li­schen Hoch­schu­le Darm­stadt die Ergeb­nis­se zur Befra­gung zum The­ma „Inklu­si­on an der Ernst-Reuter-Schule“ vor. Bild: Ernst-Reuter-Schule

Es stand bereits ver­gan­ge­nes Jahr im Raum, wir wür­den da Stel­len raus­zie­hen wol­len, das aber ist bis heu­te über­haupt gar nicht so ent­schie­den. Son­dern wir sagen (zur ERS), ihr habt eine ande­re hohe Res­sour­ce, und ihr müsst bele­gen, dass ihr ein Allein­stel­lungs­merk­mal habt, das dies recht­fer­tigt. In dem Pro­zess sind wir gera­de“, erklärt Ralph von Kym­mel, Lei­ter des Staat­li­chen Schul­amts. Zumal nicht das Schul­amt sage, das kön­nen wir so nicht mehr machen, son­dern die Bünd­nis­kon­fe­renz als Beratungs- und Ent­schei­dungs­or­gan, in der alle Schul­lei­tun­gen sowie Beratungs- und För­der­zen­trum gleich­be­rech­tigt ver­tre­ten sind. „Dort wird dann die Ent­schei­dung getrof­fen, wel­che Res­sour­ce wohin geht.“ Was nun benö­tigt wer­de, sei der schrift­li­che Bericht, der die Basis für die Prä­sen­ta­ti­on der Stu­die­ren­den war: Was steckt da an Daten­la­ge drin, wie lau­ten die kon­kre­ten Ergebnisse?

Bei den Eltern, die sich in hohem Maße mit der Schu­le iden­ti­fi­zie­ren, führt eine mög­li­che Ein­spa­rung von Res­sour­cen auf jeden Fall zu gro­ßen Ängs­ten, wie die Stu­die erge­ben hat. 90 Pro­zent stim­men der Behaup­tung zu „An der ERS wird Inklu­si­on umge­setzt“. Und: „Es gibt im Umkreis kei­ne bes­se­re Schu­le für Inklu­si­on.“ Unzu­frie­den­heit bestehe ledig­lich bezüg­lich des deso­la­ten Zustan­des des Schul­ge­bäu­des: „Auch wenn das Gebäu­de eine Kata­stro­phe ist, machen das doch die enga­gier­ten Leh­rer wett“, heißt es in einer Elternantwort.